Während meiner Ausbildung zur systemischen Therapeutin habe ich mir Fragekarten für Therapie und Coaching gekauft, die ich in meiner Arbeit immer wieder anwende.
Eine dieser Fragen lautet: Was war das größte Abenteuer deines Lebens?
Die Antwort auf diese Frage ist für mich leicht zu beantworten. Mein größtes Abenteuer bisher war unser Umzug nach Frankreich.
Im Januar 2018 fiel die Entscheidung, dass mein Mann zwei Jahre im Ausland arbeiten sollte. Sechs Monate später ging es für uns los, Richtung Bretagne.
Zurückgelassen haben wir unser Haus, unsere Freunde und Familien, meine feste Arbeitsstelle und meine finanzielle Unabhängigkeit.
Vorgefunden haben wir eine traumhafte Landschaft und jede Menge neue Erfahrungen!
Wie vor jeder neuen Erfahrung habe wir uns natürlich vorher mit vielen Fragen beschäftigt und mit Sorgen geplagt: Wie wird es für die Kinder, die kein Wort französisch sprechen? Findet man Anschluss? Wie groß wird das Heimweh? Wird man die Entscheidung im Endeffekt bereuen? Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf jeden von uns und die Zukunft?
Jetzt nach fast zwei Jahren in Frankreich kann ich einige dieser Fragen beantworten:
Unsere Kinder haben sich prima eingefügt in die französische Lebensweise und lernen die Sprache schneller als ich. Doch trotzdem braucht alles seine Zeit, auch Kinder lernen die Sprache nicht von jetzt auf gleich. Richtiges Heimweh hatten wir alle nicht, aber natürlich vermisst man Dinge aus der Heimat, vor allem richtig gutes Brot.
Gerade im Ausland merkt man, wie sehr man durch die eigene Heimat und Herkunft geprägt worden ist. In unserem Fall: wie deutsch wir wirklich sind. Wir waren immer zu früh, während die Franzosen eigentlich immer „zu spät“ kommen. Mittlerweile haben wir uns da angepasst.
Als Familie, und das ist eine meiner schönsten Erfahrungen aus dieser Zeit, sind wir enger zusammengewachsen. Der Fokus liegt mehr auf Familie, seit dem wir in Frankreich sind.
Jedes Familienmitglied macht hier seine eigenen Erfahrungen, manche positiv andere vielleicht weniger. Es finden Anpassungsprozesse jedes einzelnen an die neuen Lebensumstände, die Erwartungen und die Herausforderungen statt.
Und jeder von uns wird am Ende sein eigenes Fazit ziehen.
Paulo Coelho hat mal gesagt: „Wenn du denkst, Abenteuer sind gefährlich, dann versuch’s mal mit Routine. Die ist tödlich.“
Im Endeffekt ist ein Abenteuer oft nichts anderes als eine Veränderung der aktuellen Situation. Abenteuer klingt oftmals nach einer massiven Veränderung der Lebensumstände. Ich breche alle Zelte ab und wandere aus oder mache eine Weltumsegelung.
Doch ein Abenteuer kann auch was viel kleineres sein, eine kleine Veränderung in der Routine, im Alltag. Etwas, das bei einem selber Herzklopfen und Aufregung auslöst und uns zwingt, die eigene Komfortzone zu verlassen.
Ich kann mit dem Zitat von Coelho sehr viel anfangen. Ich war vor unserem Umzug nach Frankreich an einem Punkt, an dem ich mich gefragt habe: War es das jetzt? Läuft mein Leben jetzt immer so weiter?
Ich war seit einigen Jahren in der selben Einrichtung tätig, hatte ein Haus, zwei Kinder und einen Hund. Alltag wohin ich sah. Ich war nicht unzufrieden, ich mochte meine Arbeit, mit den Kindern und Haus und Hund hatte ich genug zu tun. Und trotzdem war da eine Sehnsucht nach was Neuem, was Aufregenden.
Es gibt Phasen im Leben, da sehnen wir uns nach Alltag, vor allem dann, wenn das Leben unruhig und chaotisch verläuft. Alltag steht für Sicherheit, Bekanntes und gibt uns Orientierung.
Doch manchmal, wenn das Leben so dahinplätschert, schleicht sich eine Unruhe ein, es juckt in den Fingern, etwas neues zu erleben, der Wunsch nach Veränderung wird immer größer und mit ihm eine gewisse Unzufriedenheit. In dieser Situation war ich.
Das Abenteuer „Ausland auf Zeit“ hat mich aus dieser Phase geholt, hat mir aufregende Zeiten geschenkt, mir Stärken und Schwächen, als auch meine Grenzen aufgezeigt und eben auch neue Perspektiven geöffnet.
Ich habe mich selbständig gemacht, mit dem Risiko zu scheitern.
Ich habe Ideen für meine berufliche Zukunft für die Zeit nach Frankreich entwickelt.
Ich habe die Chance etwas aufzubauen, was ich aus meiner Routine in Deutschland heraus vielleicht nie getan hätte.
"Wer immer tut was er schon kann, bleibt immer das was er schon ist.“ Henry Ford
Veränderung kann die Chance sein neue Seiten an sich zu entdecken, die einem vorher versteckt waren. Veränderung bedeutet immer auch Wachsen und lernen.
Nicht alle Veränderungen sind immer schön, viele Veränderungen im Leben sind schwierig und schmerzhaft und von uns überhaupt nicht gewollt. Doch verschließen können wir uns vor ihnen nicht. Stattdessen haben wir die Wahl, wie wir ihnen begegnen und mit ihnen umgehen.
Ich habe gelernt, dass Veränderungen mich in meinem Leben immer wieder herausfordern werden und ich nehme sie an, wie sie mir begegnen.
Unser Abenteuer „Ausland“ ist noch nicht vorbei. Stattdessen wartet eine neue Veränderung auf uns, die wir vor unserem Umzug vor zwei Jahren noch nicht wussten.
Bevor wir nach Deutschland zurückkehren, werden wir im Sommer noch für ein Jahr nach Paris ziehen.
Dann heißt es erstmal wieder: Adieu Routine, Bonjour Abenteuer..
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